Wir feiern Weihnachten: Heute für viele ein gemütliches Zusammensitzen an einem reich gedeckten Tisch mit festlichem Menu, Musik, Geschenken und der einen oder anderen Familientradition. Wir wissen nicht, ob die Menschen bereits vor Jahrtausenden ein ähnliches Fest gefeiert haben. Es ist aber kein Zufall, dass das christliche Weihnachten um die Wintersonnenwende stattfindet – also am Tag, wo die Sonne am Mittag die geringste Höhe über dem Horizont hat. Der Kirchenvater Augustinus legte im 4. Jahrhundert den Geburtstag von Jesus Christus auf den 25. Dezember und machte damit aus dem heidnischen Fest für Sol invictus – den unbesiegten Sonnengott – ein christliches Fest.

Winterstimmung an einem See.

Übrigens ist Weihnachten nicht der einzige christliche Feiertag, der bereits einen vorchristlichen Vorgänger hat und mit dem astronomischen Kalender in Verbindung steht. Dieser hatte gemeinsam mit dem Wechsel der Jahreszeiten seit Urzeiten einen grossen Einfluss auf das tägliche Leben und auch auf die Menuplanung. Die Menschen beobachteten die Gestirne, die Sonne und den Mond sehr genau. Daraus konnten sie z. B. ablesen, wann Zeit für die Aussaat war. Besondere Funde wie die Himmelsscheibe von Nebra sind Zeuge davon. In der Archäologie gibt sogar einen Fachbereich, der sich mit Astronomie in archäologischen Kontext auseinandersetzt: Die Archäoastronomie.

Himmelsscheibe von Nebra. Die Scheibe aus Bronze und Gold symbolisiert die während eines ganzen Jahres auftretenden astronomischen Zeichen. CC BY 3.0

Doch wie sieht es mit Festen in den Pfahlbaudörfern aus?

Hoch die Tassen

Eine besondere archäologische Entdeckung gelang beim Seckenberg im aargauischen Fricktal. In einer flachen Grube fand man verbrannte und zerbrochene Gefässe, besonders Becher, Schalen und einige Vorratsgefässe aus der Spätbronzezeit. Kochtöpfe fehlen. Offensichtlich waren die Gefässe zerschlagen und ins Feuer geworfen geworden, bevor sie in einer Erdgrube entsorgt worden sind. Handelt es sich hier um die Reste eines üppigen Trinkgelages? Neben dem gemeinsamen Bechern und Feiern ist uns heute ja auch noch das Zerschlagen von Geschirr als feierlicher Akt bekannt – Scherben bringen bekanntlich Glück. Vielleicht ist aber auch nur eine Sauferei aus dem Ruder gelaufen …

Eines der zerschlagenen Gefässe vom Seckeberg (CH). CC BY 4.0, Béla Polyvàs, Kantonsarchäologie Aargau, bearbeitet

Offenbar fand die Fricktaler Feier ausserhalb eines Dorfes auf einer Anhöhe statt. In anderen Regionen sind von vergleichbaren Höhenlagen über Jahrhunderte genutzte Kultorte bekannt, sogenannte Brandopferplätze. Hier zeugen dicke Ascheschichten mit zerbrochenem Geschirr, verbrannten Tierknochen aber auch Waffen und Schmuck von rituellen Handlungen. Gerade Tierknochen in Gruben lassen sogar das einzelne Tieropfer nachvollziehen. Meistens stammen diese aber aus der nachpfahlbauzeitlichen Eisenzeit.

Feststimmung auf dem Seckeberg: Nach dem Essen zerschlägt und verbrennt die Gemeinschaft das Geschirr. CC BY 4.0, Lebensbild von Mischa Baldachin, Kantonsarchäologie Aargau

Ein Schluck auf den letzten Weg

Gefässe waren in den Gräbern seit der ausgehenden Jungsteinzeit üblich, in der Spätbronzezeit finden sich sogar ganze Geschirrsätze. Es ist denkbar, dass man Verstorbenen einen Teil der Küchenausstattung mit in die Anderswelt mitgegeben hat – einen Kochtopf kann man ja immer brauchen. Auffallend häufig handelt es sich aber um kleine Trinkgefässe, reich verzierte Flaschen und Amphoren, die zum Aufbewahren von Flüssigkeiten dienten, oder Schalen zum Servieren von Essen. Wollte man den Verstorbenen Proviant für den Weg ins Jenseits mitgeben, glaubte man an ein (ewiges) Gelage nach dem Tod oder ist es schlicht das Geschirr von der Totenfeier, die man im Grab oder der Urne niederlegt? Dieser Brauch jedenfalls zeugt von einer Jenseitsvorstellung und macht deutlich, dass Essen weit mehr als nur schlichte Nahrungszufuhr war.

Bronzezeitliches Urnengrab mit kleinen Gefässen, die in die Urne gelegt wurden. © K. Schäppi, KASH
Blick in eine bronzezeitliche Urne mit verbrannten Knochen und zwei Gefässen. © Jonas Hänggi, Museum zu Allerheiligen, bearbeitet

Krafttiere und spirituelle Energien

Du bist, was du isst – hast du das auch schon mal gehört? Damit ist gemeint, Lebensmittel zu sich zu nehmen, die einem guttun. Aber nicht nur das; dahinter steckt zudem die Idee, dass man Körper und Geist durch die Nahrung beeinflussen und formen kann.

Gerade einigen Tierarten misst man heute eine besondere Bedeutung zu. Man kann sich nur ihre Rolle in bekannten Märchen vor Augen führen: Bären sind stark und eigenwillig, Wölfe heimtückisch und klug, Schwäne schön und tugendhaft, Hirsche majestätisch und ein Symbol für Männlichkeit. Die Liste könnte man fast beliebig fortsetzen. Kann man mit dem Fleisch oder dem Blut dieser Tiere auch deren Eigenschaften aufnehmen? Mehr noch, wenn man bestimmte Körperregionen verzehrt? Ob die Menschen vor Jahrtausenden von Jahren daran geglaubt haben, können wir archäologisch nur schwer fassen. Darstellungen von Wasservögeln auf Gefässen, Rasiermessern, Schlüsseln oder Miniaturwagen mit Sonnenscheiben lassen auf deren symbolische Bedeutung als Vermittler zwischen den Welten schliessen. War Entenbraten also schon vor Jahrtausenden ein Festessen mit besonderer Bedeutung? Hat man sich mit dem Rinderbraten auch die Kraft des Tieres einverleibt? Sauber abgetrennte Hörner von Hausrind, Ziege, Ur und Wisent, die Archäolog*innen nahe bei den Hauswänden in Arbon-Bleiche 3 gefunden haben, waren wohl mehr als nur Dekoration. Vielleicht dienten sie zum Schutz der Häuser und ihrer Bewohner*innen.

Bukranium von der Pfahlbaufundstelle Arbon-Bleiche (CH). © D. Steiner, AATG, bearbeitet

Aus derselben Pfahlbausiedlung am Bodensee stammen über 150 Schulterblätter mit auffälligen Brandspuren. In Osteuropa nutzen Schamanen heute noch Schulterblätter als Hilfsmittel bei Wahrsagungen (Scapulamantik oder Omoplatoskopie). Experimente zeigen, dass die Brandspuren nicht bei der normalen Essenszubereitung entstehen, sondern nur, wenn man auf den Knochen ein kleines Feuer entzündet.

Grillausstattung oder Kultgegenstand?

In spätbronzezeitlichen Fundstellen kommen immer wieder längliche Tonobjekte mit zwei Spitzen zutage; sogenannte Mondhörner. Archäolog*innen rätseln seit Generationen über ihre Funktion und Bedeutung. Mondhörner sind in verschiedenen Grössen und Formen bekannt: Einige sind nur flüchtig geformt, andere sorgfältig ausgearbeitet und mit aufgesetzten Leisten, Rillen und Fingereindrücken reich verziert. Viele der Funde müssen aufgrund von Brandspuren mit Feuer in Kontakt gewesen sein. Sie wurden daher als Feuerböcke, also als Gestelle zum Auflegen von Holzscheiten gedeutet. Andere Forscher*innen gehen davon aus, dass es sich um Feueraltäre handelt. Dem widersprechen aber auffällig kleine Funde, die nicht funktional sein können und auf eine symbolische Bedeutung hinweisen. Wie die moderne Bezeichnung für Tongegenstände sagt, erinnern Mondhörner an einen sichelförmigen Halbmond oder aber an Rinderhörner.

Kleines und grosses Mondhorn mit reicher Verzierung. © AATG, bearbeitet

Pfahlbauorchester

In der spätbronzezeitlichen Pfahlbausiedlung am Bodensee bei Hagnau-Burg hat man Fragmente eines ausgehölten und verzierten Holunderholzes entdeckt. Ein seitliches Loch gibt den Fund als Flöte zu erkennen. Mit einem Alter von über 3000 Jahren ist es die älteste Holzflöte Mitteleuropas. Aus anderen Fundstellen der Spätbronzezeit sind hohle Tonkugeln bekannt, die mit Kieseln gefüllt sind. Einige haben die Form von Vögeln. Babyspielzeug oder Rhythmusinstrument, fragen wir uns?

Replik derHolzflöte aus der Pfahlbaufundstelle Hagnau-Burg (D). © K. Schäppi

Die wenigen bekannten Musikinstrumente reichen nicht, um sich ein genaueres Bild der Musik in einem Pfahlbaudorf zu machen. Aber bereits damals gehörte wohl zu jeder Feier eine musikalische Untermalung und ein festliches Essen. Wir glauben, dass solche gesellschaftlichen Anlässe tief in uns Menschen verwurzelt sind. In diesem Sinne wünschen wir: Frohe Weihnachten!

Ein Festmahl, wie es die Pfahlbauer*innen gegessen haben könnten.
Portrait Simone Benguerel
Portrait Katharina Schäppi
Archäofacts

Hauser, Miriam (2019) Der Rest vom Fest. Eine spätbronzezeitliche Grube voller Scherben vom Seckeberg in Frick. Archäologie im Aargau. Brugg.
DOI: 10.19218/3906897356

Marti-Grädel, Elisabeth/Deschler-Erb, Sabine/Gerber, Yvonne et al. (2002) Schamanismus am Bodensee? Ungewöhnliche Verkohlungsspuren an Tierschulterblättern in der neolithischen Siedlung Arbon-Bleiche 3 am Bodensee und ihre möglichen Ursachen, Archäologisches Korrespondenzblatt 32, 2002, 31–49.

Plattform 15/07. Das SWR-Projekt: Leben wie vor 5000 Jahren. Kelten am südlichen Bodensee Eine 3000 Jahre alte Flöte vom Bodensee
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Mondhörner – Rätselhafte Kultobjekte der Bronzezeit. Wanderausstellung