Wo Wasser ist, sind bestimmte Vogelarten nicht weit. Auf dem Teller der Pfahlbauer*innen landeten somit auch Entenbrust oder Schwanenbraten. Das bezeugen die aufgefundenen Tierknochen mit Schnitt- und Brandspuren, selten sogar Biss- und Verdauungsspuren von Mensch oder Tier. Am häufigsten gegessen wurden Stock- und Reiherenten oder Zwergschwäne, selten haben die Pfahlbau-Köch*innen auch einen Kormoran zubereitet. Betrachtet man genau, von welchen Körperregionen die aufgefundenen Knochen stammen, so überwiegen solche von den Flügeln. Diese haben nur wenig nutzbares Fleisch und sind als Mahlzeit weniger geeignet. Eher ist davon auszugehen, dass die grossen Schwungfedern oder sogar ganze Flügel gezielt abgetrennt und als Schmuck oder als Wischer eingesetzt worden sind.

Männliche Reiherente. © Quirin Herzog

Bewusstlos vom Himmel geholt

Erlegt wurden die Vögel mit besonderen Pfeilen. Statt einer Spitze hatten sie ein breites, stumpfes Ende. Dadurch wurde der Balg der Tiere nicht verletzt, sie fielen bewusstlos vom Himmel und konnten als Ganzes genutzt werden. Aber auch historisch überlieferte Jagdmethoden mit Netzen sind denkbar.

Vogelpfeile aus Hirschgeweih von der Pfahlbaufundstelle Arbon-Bleiche (CH). © AATG, bearbeitet

Bevorzugte Jagdgebiete waren die geschützten Buchten mit ausgedehntem Flachwasserbereich. Viele der Wasservogelarten sind Zugvögel, die aus Nord- und Osteuropa stammen, vereinzelt sogar aus Sibirien. Bis heute treffen die Tiere im Herbst nach und nach an den Voralpenseen ein. Allein am Starnberger See überwintern jedes Jahr bis zu 25˙000 Wasservögel. Ideale Jagdsaison ist also spät im Herbst und im Winter, wenn sich die Zugvögel in grossen Schwärmen in den Buchten aufhalten. Am Starnberger See ist bei den Vögeln die Roseninselbucht besonders beliebt. Hier halten sich – in unmittelbarer Nähe zu den Pfahlbauten – im Winter häufig mehrere tausend Tiere gleichzeitig auf. Einige der Arten wie Stockenten oder Schwäne sind bei uns heimisch. Die Pfahlbauer*innen konnten sie also nicht nur im Winter jagen, sondern das ganze Jahr über auftischen.

Vogelknochen sind eher kleiner und fragiler als solche von anderen Tierarten. Auf den ersten Blick verwundert es daher nicht, dass sie in den Fundschichten eher selten vertreten sind. Allerdings sind sie auch in den Siebresten von geschlämmten Erdproben nur wenig anzutreffen (Arbon-Bleiche 3, Zürich-Opéra). Die Vogeljagd hatte also eher eine untergeordnete Bedeutung. Unter den Knochen überwiegen meist solche von Enten, regelmässig sind auch Schwäne oder Seetaucher vorhanden.

Blässhuhn – zweifelhafter Genuss

Für die einen ein Freizeitvergnügen, für die anderen ein Frevel: Die Jagd auf Wasservögel ist heute ein umstrittenes Thema. Im Mittelalter und bis in die Neuzeit waren Blässhühner, Enten, Schwäne & Co. aber eine willkommene Nahrungsergänzung, besonders in den kalten Wintermonaten. Noch im letzten Jahrhundert wurden gerade Blässhühner am Bodensee in grosser Zahl erbeutet und waren für Fischer, Bauern und Handwerker ein Zusatzverdienst. Erlegen konnte sie jeder, die Wasservögel waren der Niederen Jagd zugeordnet. Und man durfte sie auch in der Fastenzeit geniessen, weil gewisse Vogelarten nicht als Fleisch galten.

Tafelente. © A. Gehrold, LBV

Ebenso umstritten wie das Jagen ist die Frage, ob das Fleisch von Schwan und Blässhuhn überhaupt schmeckt. Wie viele Wasservögel gründeln sie, d. h. sie wühlen mit dem Schnabel unter Wasser den Schlick auf und sieben dann die Nahrung aus dem Schlamm. Daher wird dem Fleisch ein schlammiger, fischiger und traniger Geschmack nachgesagt. Zudem enthalten ihre Knochen Bitterstoffe. Alte Kochbücher empfehlen daher, Blässhühner – im Süddeutschen und Schweizer Raum auch Belchen genannt – vor dem Kochen zwei bis vier Tage in Milch oder Essig einzulegen. Auch wenn er heute kaum noch auf den Tisch kommt: Belchenpfeffer – in Ermatingen auch Hattlepfeffer genannt – gehört zu den traditionellen Gerichten aus der Bodenseeregion. Schwanenbraten war sogar auf königlichen Tafeln anzutreffen und wurde effektvoll als Höhepunkt eines Banketts serviert: Der Balg des Vogels wurde sorgfältig abgezogen, das Fleisch zubereitet und der Braten dann im Federkleid serviert. Der Genuss von Hattlepfeffer und Schwanenbraten war also früher besonderen Gästen vorbehalten.

Blässhuhn. © Philippe Amelant

Vogelfigur mit Hörnern

Babyrassel und Nuckelflasche in niedlicher Vogelform? Nein, kultische Objekte, sagen Archäolog*innen. Ab der Mittelbronzezeit (ca. 1500 v. Chr.) tauchen Wasservögel – oft sind es eindeutig Enten – als Figuren und Verzierungen auf nicht alltäglichen Gegenständen auf. Vogelköpfe zieren Tongefässe, schmücken Rasiermesser oder aufwändig gearbeitete Miniaturwagen, auf denen Scheiben als Sonnensymbole thronen. Aus spätbronzezeitlichen Pfahlbauten sind vollplastische vogelförmige Gefässe bekannt, die auf dem Rücken eine Einfüllöffnung für Flüssigkeiten haben und reich verziert sind. In der Pfahlbaufundstelle Zürich-Alpenquai (CH) fanden Archäologietaucher*innen eine in zwei Teile zerbrochene Vogelfigur mit Hörnern auf dem Kopf. Es ist ein Zwitterwesen oder eine Phantasiefigur, die keine Vogelart naturgetreu abbildet. Vermutlich waren im hohlen Bauch einst Steinchen eingeschlossen, womit die Tonfigur als Rassel gedient haben könnte. Aus der gleichen Fundstelle stammt ein Schlüssel aus Bronze, auf dessen Griff eine Ente sitzt.

Spätbronzezeitlicher Schlüssel aus Bronze von der Pfahlbaufundstelle Zürich-Alpenquai (CH). © Schweizerisches Nationalmuseum, Inv. Nr. A-25748

Vögel vermitteln zwischen den Welten

All diese Funde mit Vogelmotiven, die über weite Teile Europas streuen, sind kein Produkt zufälliger Eingebungen von Handwerker*innen. Hinter ihnen muss eine Symbolkraft und eine gemeinsame Vorstellung stecken. Wie die ausgesehen hat, darüber zerbrachen sich schon viele Forscher*innen den Kopf. Die im Norden vorkommende Kombination mit Wagen und Scheibe läuft unter dem Begriff Vogel-Sonnen-Barke. Dahinter steckt die Vorstellung, dass Vögel eine Barke, ein Boot oder einen Wagen mit der Sonnenscheibe über den Himmel ziehen. Wasservögel könnten auch Mittler zwischen verschiedenen Welten sein: dem Wasser, der Erde und dem Himmel, wohinter möglicherweise Vorstellungen über ein Diesseits und Jenseits stehen. Sollten Enten Regen bringen, was die Kombination mit Gefässen erklären würde, oder geleiteten sie die Verstorbenen ins Jenseits, worauf Vogelgefässe in Gräbern des Donauraumes hindeuten? Waren die Vogelgefässe Teil von Opferhandlungen oder Trankzeremonien und dienten die Rasseln deren musikalischer Untermalung? Schriftliche Überlieferungen aus dieser Zeit fehlen. Die Vogelfiguren gewähren uns aber einen Blick in die damalige Vorstellungswelt, in der offenbar die gefiederten Wasserbewohner eine wichtige Rolle spielten.

Vogel aus Ton von der Pfahlbaufundstelle Zürich-Alpenquai (CH). © Schweizerisches Nationalmuseum, Inv. Nr. A-27032

Verehrt und gegessen

Kehren wir vom Mystischen und den Mutmassungen zurück zum Profanen. Hatte die offensichtlich hohe Bedeutung der Wasservögel eine Auswirkung auf deren Verzehr? Die Datengrundlage ist leider dürftig. Aus spätbronzezeitlichen Pfahlbauten liegen, im Gegensatz zu den jungsteinzeitlichen Fundstellen, nur wenige ausgewertete Knochenkomplexe vor. Dies liegt vor allem daran, dass die jüngeren Kulturschichten höher liegen als die älteren, jungsteinzeitlichen. Sie sind deshalb mit weniger Sediment überdeckt und somit stärker der Erosion ausgesetzt. Das wirkt sich auf die Erhaltung der Knochen aus. Einzig zur Pfahlbaufundstelle von Hauterive-Champréveyres (CH) haben wir die Angabe gefunden, dass 40 % der Vogelknochen von Stockenten stammen, also möglicherweise von «heiligen Tieren».

Portrait Simone Benguerel
Portrait Katharina Schäppi
Portrait Markus Gschwind
Archäofacts

Huber, A. (2005) Seeufersiedlungen. Zürich-Alpenquai IX: Keramische Kleinfunde und Sonderformen. Zürcher Archäologie, Heft 17 (Zürich und Egg) 67-68.

Links

Vogelschutzinfos zum Starnberger See:

Rast- und Überwinterungsgebiet Starnberger See

Landesbund für Vogelschutz in Bayern