Unter diesem Titel beschäftigen wir uns nicht etwa mit Babynahrung in der Jungsteinzeit und Bronzezeit. Das wäre zwar ein spannender Aspekt der Ernährung, aber heute interessiert uns nur eines: Haben die Pfahlbauer*innen Insekten gegessen?

Hauptsache satt?

Wenn wir uns die Liste der Tierarten anschauen, die anhand von Knochenfunden aus Pfahlbaufundstellen nachgewiesen sind, denken wir nicht unbedingt ans Essen:  Biber, Dachs, Hund, Schildkröten, Frosch und Kolkrabe. Dennoch beweisen Schnittspuren an den Knochen, dass diese Tiere zum Speiseplan der Pfahlbauer*innen gehörten. Es erweckt den Anschein, als habe man damals alles gegessen, was irgendwie essbar war. Dahinter müssen nicht unbedingt Verzweiflungstaten während Hungersnöten stecken. Vielmehr scheint man sich an der breiten Palette dessen, was die Natur bietet, bedient zu haben.

Eine kleine Leckerei zwischendurch? Grashüpfer.

Ein paar Larven zum Apéro

Daher halten wir es für gut möglich, dass die Pfahlbauer*innen auch gegenüber dem Insektenessen unvoreingenommener waren. Schliesslich ist der Verzehr von Käfern, Maden, Larven, Ameisen, Spinnen oder Bienen noch heute in vielen Weltengegenden gang und gäbe. In Uganda z. B. gelten die dicken Larven des Roten Palmrüsslers als Delikatesse. Die Larven der Käsefliegen wiederum veredeln den sardischen Käse «casu marzu» und werden lebend mitgegessen. Leider haben Archäolog*innen bislang keinen Kochtopf mit angebrannten Heuschrecken oder ein Kothäufchen mit Resten der Chitinhülle von Maikäfern gefunden. Dies wäre ein schlagkräftiger Beweis. So jedoch können wir nur ein paar hypothetische Überlegungen zum Insektenverzehr bei den Pfahlbauer*innen anstellen.

Die Engerlinge des Rosenkäfers sind – wie jene des Maikäfers – essbar.

40 Heuschrecken für eine Mahlzeit

Seit wenigen Jahren findet man im Sortiment grosser Lebensmittelläden oder im Internet frei käuflich Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmer. Der Mehlwurm, eigentlich die Larve des Mehlkäfers, ist in den Pfahlbauten nicht nachgewiesen. Die Larven der damals bekannten Getreideschädlinge sind deutlich kleiner als der Mehlwurm und verstecken sich erst noch in den befallenen Körnern. Wenn, dann dürften sie eher unbeabsichtigt mit dem Getreide im Eintopf gelandet sein.

Käufliche Insekten: Grillen, Mehlwürmer und Heuschrecken.

Auch für Heuschrecken und Grillen, von denen es etliche einheimische Arten gibt, liegen uns keine Belege aus Pfahlbaufundstellen vor. Immerhin wissen wir, dass die Landschaft infolge der menschlichen Nutzung ab der Bronzezeit zunehmend weniger bewaldet war, was den Hüpfern durchaus zugesagt haben dürfte. Wie man aus Survival-Tipps und YouTube-Videos erfahren kann, reichen bereits vierzig Heuschrecken aus für eine vollwertige Mahlzeit. Vor dem Verzehr sollte man die Beine und Flügel entfernen, den Kopf abdrehen, diesen zusammen mit den Gedärmen herausziehen und den Körper über einem Feuer knusprig braten.

Alle drei Jahre ein Maikäfer-Festessen

Bis in die 1940er Jahre gab es alle drei bis vier Jahre eine Maikäfer-Plage. Man denke nur an Max und Moritz von Wilhelm Busch, die Maikäfer vom Baum schüttelten und sie Onkel Fritz unter die Bettdecke steckten. Die Maikäferschwärme haben ganze Laubwälder kahlgefressen. Sie schwächten dabei die Bäume so stark, dass diese in den Maikäferjahren nur wenig Holz bildeten, was sich in einem schmalen Jahrring äussert.

Maikäfer. © Schmidkerstin, bearbeitet

Dendrochronolog*innen können Jahrtausende später nicht nur das Alter der Hölzer bestimmen, aus denen die Pfahlbauten errichtet wurden, sondern sie ermitteln auch das Auftreten von dünnen Jahrringen in regelmässigen Abständen, welche die Maikäferjahre anzeigen. Im Frühjahr 3921 v. Chr. beispielsweise schwärmten am Bodensee abertausende Maikäfer aus. Bauhölzer aus den zeitgleich bestehenden Pfahlbaufundstellen Hornstaad-Hörnle, Sipplingen und Bodman verzeichnen für dieses Jahr einen sehr geringen Zuwachs.

Was machten Max und Moritz der Pfahlbauer*innen mit den Maikäfern? Steckten sie die Krabbelviecher dem Onkel unter die Felldecke oder kochten sie lieber eine kräftigende Maikäfersuppe daraus oder rösteten die in Honig eingelegten Käfer über dem Feuer? Noch im 19. Jahrhundert galt Maikäfersuppe als Delikatesse. Der Geschmack soll an Krebssuppe erinnern. Ein Rezept dafür möchten wir euch nicht vorenthalten. Es stammt aus einem Kochbuch von 1887: «Zur Zubereitung werden die Maikäfer ohne Flügel und Beine in Butter angeröstet und in Kalbfleisch- oder Hühnerbrühe gegart. Je nach Rezept wird die Suppe gesiebt und als Brühe genossen oder die Käfer werden anfangs im Mörser zerstossen, die Suppe wird passiert und mit etwas Mehlschwitze und Eigelb gebunden.»

In Honig marinierte Heuschrecken am Spiess.

Kannst du dir vorstellen, Maden, Würmer oder Fluginsekten zu essen? Für viele ist dies gewöhnungsbedürftig. Aus ernährungsphysiologischer Sicht spricht jedoch nichts dagegen. Als Alternative zum Fleisch werden Insekten in den nächsten Jahren vielleicht sogar das neue Superfood. Da bietet es sich doch an, sich gleich mal an einem entsprechenden Rezept zu versuchen, wie es vielleicht schon in der Steinzeit zubereitet wurde. Was meinst du? Ran an die Larven!

Portrait Katharina Schäppi

Weitere Infos zum Insektenessen

Verbraucherzentrale, Insekten essen

Das Nordic Food Lab zum Insekten essen mit der Dokumentation “BUGS the Film”

Archäofacts

Billamboz, A. (2014) Dendroarchaeology and cockchafers north of the Alps: Regional patterns of a middle frequency signal in oak tree-ring series. Environmental Archaeology 19(2), 114-123.
DOI: 10.1179/1461410313Z.00000000055