Wenn Mensch und Tier über längere Zeit auf engem Raum leben, befördert das die Übertragung von Parasiten und Krankheiten. Das war schon immer so, und Corona ruft uns das wieder ganz besonders ins Bewusstsein.

Wie in vielen historischen bäuerlichen Gesellschaften lebten die Pfahlbauer*innen mit ihren Tieren zusammen; den Nutztieren, aber auch allerlei unwillkommenen Klein- und Kleinstlebewesen. Alle, die schon mal längere Zeit mit Kühen auf einer Alp oder mit Pferden im Stall verbracht haben, kennen das Problem: Mist, Fliegen und Käfer überall. Die Tiere bringen Zecken und anderes Ungeziefer mit sich, die auf ihre Besitzer*innen übergehen können. Und das sind nur die sichtbaren Mitbewohner*innen. Unsichtbar, aber mit nicht zu unterschätzendem Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden sind die Parasiten.

Langzeitexperiment mit einem rekonstruierten Pfahlbauhaus in Unteruhldingen (D) unter anderem zur Ablagerung von Abfällen. © K. Schäppi

Schlamm waschen

Dank der ausserordentlichen Erhaltungsbedingungen in den Pfahlbaufundstellen, haben sich in den jahrtausendealten Kulturschichten sogar Insekten- und Parasitenreste erhalten. Entscheidend ist dann aber die Vorgehensweise während der Ausgrabung. Nur durch systematische Probenentnahmen und ein aufwändiges Schlämm-Programm mit der vorsichtigen wash-over Methode (siehe dazu die Anleitung des IPNA, Universität Basel, Seite 15) gelingt es, die fragilen und winzigen Reste überhaupt zu separieren. Moderne Untersuchungen von Grabungen aus den letzten Jahren erlauben einen neuen Blick auf Gesundheit und Hygiene bei den Pfahlbauer*innen. Die Auswertungen der Grabungen beim heutigen Parkhaus Opéra in Zürich haben Entscheidendes dazu beigetragen.

Es kreucht und fleucht im Pfahlbau Zürich-Opéra

Bei der Grabung Zürich Parkhaus Opéra war Schicht 13 aus der Horgenerzeit (um 3200 v. Chr.) besonders ergiebig. In ihr wurden fast 15´000 sogenannte Wirbellosenreste (Invertebraten) nachgewiesen. Darunter verstehen die Archäobotaniker*innen unter anderem Funde von Insekten, Milben, Fliegen, Larven und Käfern. Erhalten haben sich Bestandteile der Körperhüllen (Chitin), aber auch Köcher von Köcherfliegen, Brutknospen (Statoblasten) von Süsswassermoostierchen oder Eihüllen und Larvenreste. Insgesamt gelang der Nachweis von 21 Käferarten (darunter Schwimmkäfer, Wasserkäfer, Blattkäfer, Blatthornkäfer, Mistkäfer, Laufkäfer, Rindenkäfer, Aaskäfer, Leuchtkäfer, Rüsselkäfer), ausserdem Arten bzw. Familien aus den Gattungen der Zuckmücken, Fliegen, Köcherfliegen, Schlammfliegen, Moostierchen, Hornmilben, Tausendfüssler und Spinnentiere. All diese Krabbelviecher bewohnen ganz bestimmte Habitate. Auffallend viele der gefundenen Arten bevorzugen sich zersetzenden Dung, verrottende Pflanzen oder Aas. Indirekt erzählen sie somit viel über die damaligen (un)hygienischen Zustände.

Fleischfliege (Sarcophaga sp.). © Richard Bartz

So ein Mist – direkt vor der Haustür

Wie wir in unserem letzten Blogbeitrag berichtet haben, entsorgten die Pfahlbauer*innen ihren Müll zwischen oder unter den auf Pfählen stehenden Häusern. Sie erschufen damit ein optimales Biotop für viele Käfer- und Fliegenarten. Dungfliegen z. B. fühlen sich magisch angezogen von tierischen und menschlichen Exkrementen, Kadavern, Pilzen, faulendem Tang und zerfallenden Pflanzenstoffen. Bei den Käse- und Fleisch-/Aasfliegen ist der Name selbsterklärend. Ein Archäozoe ist die Gemeine Stubenfliege (Musca domesticus), die – wie der Name besagt – ein Kulturfolger ist und mit der Neolithisierung aus den Ursprungsgebieten (subtropische Regionen) nach Mitteleuropa kam. Gemeine Stubenfliegen legen ihre Eier bevorzugt in Mist. Bei idealen Verhältnissen (über 20 Grad, mindestens 10 Tagen Reifezeit und viel Mist) schaffen sie 10 bis15 Generationen in einem Jahr.

Kot, Urheber unbekannt, aus der Pfahlbausiedlung Arbon-Bleiche (CH). © AATG
Menschlicher Kot aus der Pfahlbausiedlung Arbon-Bleiche (CH). Strich = 1 cm. © AATG

Der Bandwurm isst mit

Ein Einblick in den Pfahlbauer*innen-Alltag: Überall schwirren Fliegen umher. Erst landen sie auf dem Mist vor dem Haus, dann auf dem Fleisch fürs Abendessen, das die Köch*innen anschliessend nicht vollständig durchbraten. Dies bleibt nicht ohne Folgen für die Gesundheit von Mensch und Tier. Wiederum erhalten wir dank den Grabungen Parkhaus Opéra einen (unfreiwillig) tiefen Blick ins Gedärm der Pfahlbauer*innen: Peitschenwurm, Spulwurm, Fischbandwurm, Echter Bandwurm, Hundebandwurm und Leberegel wohnten dort. Sie führten zu Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Allergien, Leberschmerzen oder Fieber bei ihren Wirten, die sie mit jeder Nahrungsaufnahme mitfütterten.

Parasitenei aus der Pfahlbaufundstelle Sipplingen (D). © LAD
Parasitenei aus der Pfahlbaufundstelle Sipplingen (D). © LAD

Die gefundenen Parasiten lassen sich in drei Klassen aufteilen: Nematoden (Fadenwürmer), Trematoden (Saugwürmer, Egel) und Zestoden (Bandwürmer). Fadenwürmer sind die am häufigsten nachgewiesene Gattung. Sie befallen Menschen und Tiere über Eier auf Pflanzennahrung, die mit Mist gedüngt oder durch Kot verunreinigt ist. Die Auswirkungen der im Darm lebenden, bis zu 40 cm langen, regenwurmartigen Würmer reichen von Müdigkeit bis zu Blutarmut. Ebenfalls häufig ist der Fischbandwurm (Diphyllobothrium). Wie wir wissen, haben die Pfahlbauer*innen oft Fisch gegessen, diesen offenbar nicht immer durchgegart und sich so unbemerkt diesen Zestoden eingefangen. Er nimmt sich besonders Hechte, Salmoniden und Flussbarsch als Zwischenwirt, fühlt sich aber auch im Haushund und dem Menschen wohl. Trotz der beachtlichen Länge von 8 bis 12 Metern und einem täglichen Zuwachs von 9-15 cm kann der Parasit unbemerkt bis zu 25 Jahre im Darm leben. Dort absorbiert er Vitamin B12, wodurch es in schweren Fällen zu Anämie kommen kann.

Fischbandwurm (Diphyllobothrium latum). © Autor unbekannt

Schwer nachweisbare Plage

Schweinefleisch gilt als ungesund, gemäss Bibel und Koran gar als unrein. Dahinter steckt möglicherweise ein kleiner Parasit. Trichinen (Trichinella) sind winzige Fadenwürmer. Sie nutzen bevorzugt das Schwein als Wirt, wo die Larven im Darm zu Würmern heranreifen. Von dort bohren sie sich durch den Dünndarm, lassen sich von der Lymphe oder dem Blutstrom durch den Körper treiben und setzen sich im Muskelfleisch fest. Schweine infizieren sich durch die Aufnahme von Kot oder rohem Fleisch von Artgenossen. Trichinen können aber auch auf den Menschen übergehen durch nicht richtig durchgebratenes Fleisch. Die Folgen sind Durchfall, Bauchkrämpfe, Muskelschmerzen und Fieber. Kochen, Pökeln oder Einfrieren tötet den Parasiten ab, nicht jedoch das Räuchern von befallenem Fleisch.

Trichinen kommen sowohl in Wild- als auch in Hausschweinen vor. Der Nachweis ist jedoch schwierig, da die Würmer lebendgebährend (vivipar) sind. Die weichen Köperhüllen erhalten sich im Gegensatz zu den Eiern anderer Parasiten nicht. Der Fadenwurm ist daher nur immunologisch oder durch molekulare Marker, d. h. über die DNA nachweisbar. Genetische Untersuchungen von Fäkalien aus archäologischem Zusammenhang sind eine noch relativ junge Disziplin.  

Schon Ötzi kannte das Zauberkraut

Die Pfahlbauer*innen waren den Parasiten nicht ganz wehrlos ausgeliefert. Etliche Pflanzen wirken gegen Wurmbefall und lindern die Beschwerden: Beifuss, Johanniskraut und Echter Thymian können helfen. Diese Pflanzen sind in Pfahlbaufundstellen über Makroreste oder Pollen nachgewiesen. Sie eignen sich nicht für den Verzehr. Eine Verwendung als Heilpflanzen ist daher naheliegend. Der Wurmfarn (Dryopteris filix-mas) verweist mit seinem Namen bereits auf die Anwendung bis in historische Zeit. Die Wurzel wirkt effektiv gegen Wurmbefall. Die Dosierung und Anwendung sind jedoch schwierig, kann die Pflanze doch auch zu schweren Vergiftungen mit Erblindung oder sogar zum Tod führen. Ötzi, die Gletschermumie aus der Jungsteinzeit, hatte nachweislich Peitschenwürmer. In seinem Magen fand man – neben der letzten Mahlzeit – auch Reste von Adlerfarn. Dieser ist eigentlich giftig. Dennoch halten es die Forscher*innen für möglich, dass Ötzi bewusst kleine Mengen Farn gegessen hat, um seine Magenbeschwerden durch den Wurmbefall zu lindern.

Wurmfarn. © Krzysztof Ziarnek

Wer jetzt denkt, die Pfahlbauer*innen seien besonders unhygienisch gewesen, muss sich vergegenwärtigen, dass die meisten der nachgewiesenen Wirbellosen bis heute natürlicherweise auf jedem Bauernhof vorkommen und dass es in den meisten ländlichen Gegenden Mitteleuropas bis ins 19. Jahrhundert, z. T. sogar bis ins 20. Jahrhundert, gängig war, zwischen Misthaufen und Toilette keinen Unterschied zu machen. Letztlich verdanken wir es neben den deutlich verbesserten Hygienestandards vor allem der kontinuierlichen Arbeit der Gesundheitsämter, dass wir heute nur noch ganz selten an Parasiten leiden.

Im Juli thematisieren wir die ekligen, unschönen Seiten des Pfahlbauer*innenlebens. Dies soll euch aber nicht davon abhalten, leckere Gerichte aus den Juli-Challenge-Zutaten zu kreieren oder unsere Rezeptvorschläge nachzukochen. Nur eines nicht vergessen: Fisch und Fleisch immer gut durchgaren und den Müll brav entsorgen.

Portrait Katharina Schäppi
Portrait Renate Ebersbach

Archäofacts

Ötzis letzte Mahlzeit mit Adlerfarn im Nationalgeographic.

Heiri, O./Toth, M./van Hardenbroek, M./Zweifel N. (2017) Chironomiden- und Cladocerenfossilien. In: N. Bleicher/Ch. Harb (Hrsg). Zürich-Parkhaus Opéra. Eine neolithische Feuchtbodenfundstelle. Band 3: Naturwissenschaftliche Analysen und Synthese (Zürich und Egg) 30-50.

Schäfer, M. (2017) Invertebratenreste. In: N. Bleicher/Ch. Harb (Hrsg). Zürich-Parkhaus Opéra. Eine neolithische Feuchtbodenfundstelle. Band 3: Naturwissenschaftliche Analysen und Synthese (Zürich und Egg) 144-164.