Tiere spielen schon seit Anbeginn der Menschheit eine wichtige Rolle für sie. Ob als Nahrungs-  oder Rohtstofflieferant, Jagdhilfe, Zugtier oder– wir blicken kurz zurück: Der Hund begleitete schon in der Altsteinzeit die eiszeitlichen Jäger- und Sammler*innen. Mit dem Beginn der bäuerlichen, sesshaften Lebensweise wurden domestizierte Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen wichtig für die Lebensmittelversorgung. Wie neuere genetische Analysen zeigen, brachten die ersten Bauern und Bäuerinnen nicht nur Schafe und Ziegen nach Mitteleuropa – von denen es hier keine Wildformen gab – sondern auch Schweine und Rinder, obschon davon auch Wildformen in den europäischen Urwäldern herumstreiften. Später, in der Bronzezeit, kamen die Pferde dazu. Weitere traditionelle mitteleuropäische Haustiere wie Hühner, Esel und Maultiere gelangten jedoch erst in der Eisen- bzw. Römerzeit nach Europa.

Das Soay-Schaf hat wenig weiche Unterwolle, so wie die frühen Schafrassen. © Jakob Gschwind

Nose to Tail as usual

Heutige Nutztiere haben mit ihren stein- und bronzezeitlichen Vorfahren nicht mehr viel gemeinsam: Heute werden Rinder nach Fleisch- und Milchrassen unterschieden, letztere geben bis zu 9000 Liter Milch im Jahr, eine Legehenne legt bis zu 300 Eier im Jahr, Schweinen hat man ein zusätzliches Rippenpaar angezüchtet, damit es mehr Kotelett gibt, und Schafe haben Wolle. Zu Zeiten der Pfahlbauer*innen liessen sich Schafe und Ziegen zuerst kaum unterscheiden; beide hatten ein eher borstiges Fell. Wollschafe mit weicher Unterwolle wurden vermutlich erst am Ende der Jungsteinzeit oder in der Bronzezeit eingeführt. Hühner gab es noch nicht, und Rinder waren Vielnutzungstiere: Fleisch, Milch, Haut, Horn, Knochen, Arbeitskraft und vermutlich auch ihren Dung haben die Pfahlbauer*innen verwendet. Wir wissen jedenfalls, dass sie Getreide mit Mist düngten. Wenn sie Nutztiere geschlachtet haben, assen sie alles, was irgendwie essbar war, und stellten aus dem Rest des Tieres Kleidung, Werkzeuge, Behältnisse (z. B. Beutel aus Blase oder Magen), Schmuck (z. B. aus Zähnen) oder Waffen (aus Knochenspitzen) her.

Schmuckanhänger aus Tierzähnen und Steinen aus der Pfahlbaufundstelle Arbon-Bleiche (CH). © AATG, bearbeitet

Fleisch war – neben Milch und Milchprodukten – ein wichtiger Proteinlieferant. Hochrechnungen gehen davon aus, dass in der Pfahlbauzeit etwa 30% des täglichen Kalorienbedarfs über Fleisch abgedeckt worden ist. Gleichzeitig wurde aber nur etwa halb so viel Fleisch gegessen wie heute: Beträgt der Pro-Kopf-Fleischkonsum heute in der Schweiz pro Jahr 51 kg, gehen Hochrechnungen für die Pfahlbauzeit von 25 kg aus.

Die Schlacht- und Speisereste, die dann noch übrig blieben, graben Archäolog*innen oft in grossen Mengen aus. Tierknochen sind neben Keramikscherben in Pfahlbauten in der Regel die häufigsten Funde. So wurden in mehreren Pfahlbauten im Bereich der Stadt Zürich zusammen 1,4 Tonnen Tierknochen gefunden, und aus dem Pfahlbau Arbon Bleiche 3 am Bodensee analysierten Archäobotaniker*innen über 800 kg Tierknochen.

Schlachtabfälle aus der Pfahlbaufundstelle Hüttwilen (CH). © AATG, bearbeitet

Herbstschlachtung

Daraus können wir einerseits rekonstruieren, welche Tierarten wie häufig in welcher Siedlung vorkamen bzw. geschlachtet und gegessen wurden. Andererseits gibt die Zusammensetzung von Alter und Geschlecht auch Auskunft über die Nutzung der Tiere. Rinder hat man zum Beispiel besonders häufig im Alter von vier bis sechs Monaten geschlachtet, dann wieder von 14 bis 18 Monaten – also immer mit etwa einem Jahr Abstand. Wenn wir annehmen, dass die meisten Kälber im Frühjahr zur Welt kamen, spricht dies für eine gezielte Herbstschlachtung von überzähligen Jungtieren. Das gleiche Muster sehen wir bei Schweinen. Hier kann man anhand der charakteristischen Eckzähne ausserdem nachweisen, dass die geschlachteten Ferkel vor allem männliche Tiere waren. Auch im Spätwinter oder Vorfrühling hat man das eine oder andere Tier wohl noch geschlachtet, wenn andere Nahrungsmittel zur Neige gingen.

Die Tierknochenanalyse kann uns aber noch mehr erzählen: Aufgeschlagene Röhrenknochen zeigen, dass auch das Knochenmark ein begehrtes Nahrungsmittel war. Pathologische Veränderungen an Gelenken weisen etwa auf die Nutzung von Tieren als Zug- oder Reittiere hin, ebenso wie Funde von Jochen aus Holz. Spätestens mit der Einführung von Rad und Wagen vor etwa 5’000 Jahren wurde es notwendig, Rinder vor den Wagen zu spannen – Pferde gab es zu dieser Zeit noch nicht. Auch ein Pflug ist gegenüber einer Hacke nur dann eine Arbeitserleichterung, wenn er von eigens dafür ausgebildeten Tieren gezogen wird, am besten von mindestens zwei Kühen oder Ochsen. Je kräftiger die Zugtiere waren, desto tiefer konnte man pflügen.

Wirbel eines Hausrindes (Bos taurus) mit Knochenveränderungen, die wahrscheinlich vom Tragen eines Joches herrühren. © AATG, bearbeitet
Holzrad aus der Pfahlbaufundstelle Olzreute-Enzisholz (D). © Yvonne Mühleis, LAD

Vom Zwergrind zum Zugochsen

Gross und kräftig waren die Nutztiere der Pfahlbauer*innen allerdings nicht. Eher im Gegenteil: durch die Domestikation wurden die Nutztiere zunächst immer kleiner. Am kleinsten sind Rinder vor etwa 5000 Jahren, in der sogenannten Horgener Kultur. Sie erreichten selten mehr als 1,10 m Wiederristhöhe, was ungefähr der Grösse eines heutigen Ponys entspricht. Die Kühe heutiger Hochleistungsrassen wie Holsteiner Fleckvieh sind dagegen durchschnittlich 1,45 Meter gross und 700 kg schwer.

Ein paar Jahrhunderte später, zum Ende der Jungsteinzeit (ca. 2750–2500 v.Chr. oder Schnurkeramische Kultur) können wir eine Diversifizierung bei der Rinderhaltung beobachten: Die Tiere werden grösser, vielleicht weil sie besseres Futter bekommen haben, vielleicht auch durch die Einführung neuer Rassen. Gleichzeitig zeichnen sich Unterschiede bei der Nutzung von männlichen und weiblichen Tieren ab. So sind auffällig grosse männliche Tiere bekannt: Ein Exemplar aus einer Fundstelle am Zürichsee brachte es immerhin schon auf ca. 1,50 Meter Widerristhöhe. Sie wurden wohl als starke Arbeitstiere gezüchtet, eben als Zugochsen. Die grossen Kühe lieferten zudem mehr Milch. Die Intensivierung der Milchwirtschaft um diese Zeit, also der vermehrte Verzehr von Frischmilch, lässt sich über Analysen der Nahrungskrusten an den Töpfen nachweisen. Und die Pfahlbauer*innen gewöhnten sich langsam an den Milchkonsum. Untersuchungen von menschlichem Zahnstein und der DNA weisen auf eine verstärkte Laktose-Toleranz bei Erwachsenen ab der Schnurkeramik hin(verweis Blog Milchprodukte).

Von der Grösse her entsprechen die schottischen Hochlandrinder den jungsteinzeitlichen Rindern, sie haben aber andere Hörner. CC by Agnes Monkelbaan, bearbeitet

Haariges Schweineschnitzel

Die Pfahlbauer*innen der Horgener-Zeit hatten zwar sehr kleine Rinder, aber sie investierten dafür viel in die Schweinezucht. Schweineknochen sind in der Zeit die häufigsten Funde. Im Gegensatz zu Rindern hat ein Schwein jedes Jahr mehrere Jungtiere, d.h. der Herdenbestand kann viel schneller wachsen. Schweine sind ausserdem als Allesfresser weniger heikel mit dem Futter.

Isotopenuntersuchungen an Schweinezähnen aus der Pfahlbaufundstelle Arbon-Bleiche (CH) zeigen, dass diese sich hauptsächlich vegetarisch ernährt haben, sie frassen also pflanzliche Küchenabfälle. Und wenn man ein paar Schweine auf einen abgeernteten Acker stellt und einzäunt oder bewacht, damit sie nicht ins saftigere Umland ausbrechen, hat man den Acker auch gleich schon „gepflügt“ und die Hälfe des Unkrautes und der Stoppeln sind im Magen der Schweine gelandet. Alternativ versorgten sich die Schweine in der Herbstsaison auf einer Waldweide selbst mit Eicheln oder Bucheckern. Ab- und zu dürfte dabei sogar wieder Wildschweinblut eingekreuzt worden sein. Was wiederum den heutigen Archäozoolog*innen die Unterscheidung von Haus- und Wildschweinknochen erschwert.

Das Düppeler Weideschwein, eine Rückzüchtung mittelalterlicher Schweinerassen zeigt die Vielfalt und die Ähnlichkeit zu Wildschweinen. CC by AFM Oerlinghausen, bearbeitet

Als Fleischtier ist Schwein also ideal: wenig Arbeit, viel Ertrag. Die Horgener hatten zwar keine hübsche Keramik, aber sie waren extrem effiziente und pragmatische Leute.

Portrait Renate Ebersbach
Archäofacts

Deschler-Erb, S./Marti-Grädel, E./Schibler, J. (2002) Die Knochen-, Zahn und Geweihartefakte. In: A. de Capitani et al. (Hrsg.) Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3. Funde. Archäologie im Thurgau II (Frauenfeld) 277-366.

Hüster-Plogmann, H./Schibler, J. (1997) Archäozoologie. In. J. Schibler et al. (Hrsg). Ökonomie und Ökologie neolithischer und bronzezeitlicher Ufersiedlungen am Zürichsee. Monographien der Kantonsarchäologie Zürich (Zürich und Egg) 40-121.

Schibler, J./Schäfer, M. (2017) Von Hand aufgelesene Tierknochen. In: N. Bleicher/Ch. Harb (Hrsg.) Zürich-Parkhaus Opéra. Eine neolithische Feuchtbodenfundstelle. Bd. 3, Naturwissenschaftliche Analysen und Synthese (Zürich und Egg) 92-127.

Zur Domestizierung der Schweine: science.orf.at/v2/stories/2989875/