Lebensmittel, die uns gesünder, fitter und schöner machen, sind die Stars der Foodszene. Dass sogar die Pfahlbauer*innen schon solches Superfood im erweiterten Sinn gekannt haben, war ihnen vielleicht gar nicht bewusst. Oder eben gerade schon: Wenn ein Lebensmittel verschiedenste Zwecke erfüllt und vielleicht erst noch die Gesundheit positiv beeinflusst, dann sollte man sich das genauer anschauen, oder? Also lasst euch vom pfahlbauzeitlichen Superfood überzeugen: Den Ölen und Fetten!

Reifende Leinkapseln.

Lein: der Alleskönner

Leinsamen haben einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren und verdauungsfördernden Ballaststoffen. Die darin enthaltenen Schleimstoffe wirken sich positiv auf die Darmflora aus und sie sollen sogar den Cholesterinspiegel senken. Es heisst, ein Löffel Leinsamen pro Tag, verbessere unsere Gesundheit.

Leinsamen und -kapseln.

Lein (Linum usitatissimum) haben schon die Pfahlbauer*innen angebaut. Aus den Leinsamen presste man hochwertiges Öl, so dass wir dieses Gewächs als wichtigste Ölpflanze der Pfahlbauzeit bezeichnen können. Leinöl sollte man nicht erhitzen und eher in der kalten Küche verwenden, z. B. für die Salatsauce oder das Abschmecken von Gemüse. Man kann es auch als Holzschutz, Färbe- und Konservierungsmittel benutzen. So bestehen die Lacke, mit denen Geigenbauer ihre Streichinstrumente behandeln, seit Jahrhunderten aus Naturharzen, die in Leinöl gelöst sind.

Verkohlte Leinkapseln aus der Pfahlbaufundstelle Hornstaad-Hörnle. © AATG, bearbeitet

Die Überreste der Pressung – sogenannte Presskuchen – finden sich da und dort in den organischen Fundschichten und in Tierexkrementen. Die Reste der Ölherstellung wurden also verfüttert. Leaf to Root, die ganzheitliche Verwertung von Pflanzen, war also bereits vor Jahrtausenden ein Thema.

Größenvergleich des Öl-Leinsamens (links) mit dem des Faserleins (rechts). Strich = 1 mm. © LAD, bearbeitet

Lein hat man in einzelnen Pfahlbausiedlungen im grossen Stil angebaut. Das hängt neben der Gewinnung der Samen damit zusammen, dass Lein – der auch als Flachs bezeichnet wird – die wichtigste kultivierte Faserpflanze der Pfahlbauzeit war. Mit der Zeit enstanden zwei Varietäten des Leins: Eine kurze, verzweigte mit vielen Kapseln und grossen Samen für die Ölproduktion und eine langstielige, wenig verzeigte für die Faserproduktion. Die Fasern im Innern der langen Stängel hat man zu Schnüren und Geweben weiterverarbeitet für Kleidung, Fischernetze und vieles mehr. Es verwundert daher nicht, dass man die Überreste der vielfältig nutzbaren Pflanze regelmässig und stellenweise auffällig häufig in pfahlbauzeitlichen Fundschichten antrifft. Besonders auffällig sind die sogenannten «Leinscheben» (oder «Flachsschäben»): der holzige Anteil der Stängel, der bei der Gewinnung der Fasern durch Brechen entfernt wird. In gewissen Siedlungen entsteht sogar der Eindruck, dass die Bewohner*innen über den Eigenbedarf hinaus Flachs angebaut und sich auf dessen Verarbeitung spezialisiert hatten.

Hölzerne Teile von Flachsstengeln aus der Pfahlbaufundstelle Alleshausen-Grundwiesen (D). © LAD, bearbeitet

Schlafmohn: Öl und Gift

Die einen denken bei Mohn an knallrote Blumen am Wegrand, an die kleinen schwarzen Samen auf dem Brötchen oder eine leckere Kuchenfüllung – andere wiederum an was ganz anderes: Rauschgift. Schlafmohn (Papaver somniferum) gehört zu den ältesten Kulturpflanzen. Da die runden Kapseln bis zu 2000 Samen enthalten, galt der Schlafmohn in der Antike auch als Symbol der Fruchtbarkeit.

Schlafmohnsamen aus der Pfahlbaufundstelle Sipplingen (D). © LAD, bearbeitet

Angebaut wurde Mohn unter anderem zur Gewinnung von Öl, das aus den Samen kalt gepresst wird. Mohnöl punktet mit einem hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren und wird ähnlich wie Leinöl eingesetzt. Neben kulinarischen Zwecken wendet man das Öl heute auch zur Körperpflege an und es werden Seifen und Farben daraus hergestellt. Die Herstellung von Mohnöl ist archäologisch zwar nicht belegt, aber durchaus denkbar.

Schlafmohn hat, im Gegensatz zum rotblühenden Klatschmohn, violette Blütenblätter.

Mohn kann noch mehr. In der Kapsel, aber auch in anderen Pflanzenteilen, fliesst ein opiumhaltiger, weisser Milchsaft. Kurz nach dem Verblühen enthält die Kapsel am meisten davon. Durch Anritzen kann man diesen Saft als klebrige braune Masse gewinnen. Diese enthält verschiedene Alkaloide (von denen das Morphin das bekannteste ist), die als Grundlage für die Herstellung von Rauschgiften wie Opium oder Heroin dienen. Der reine Wirkstoff, das Morphium, hat bis heute als eines der stärksten Schmerzmittel eine Bedeutung in der Medizin. Die Giftstoffe wirken auf das zentrale Nervensystem und auf die Atmung. Präparate aus Opium wirken schmerzstillend, beruhigend und einschläfernd – daher auch die Bezeichnung Schlafmohn. Aber Achtung: Eine Überdosierung kann zum Tod führen!

Reifende Mohnkapseln.

Schmalz und Talg

Bei tierischen Fetten denkt heute wohl niemand mehr an Superfood. Angesichts der nahenden kalten Jahreszeit dürfte das früher aber anders beurteilt worden sein. Dank ihrem hohen Kaloriengehalt eignen sich Schmalz und Talg jedenfalls zum Anlegen von Reserven im doppelten Sinn: Einerseits sind sie lange lagerfähig, und andererseits kann der Mensch sich beim Verzehr von ausreichenden Mengen ein wärmendes Polster zulegen.

Reines Schmalz kann man aus dem Fettgewebe, besonders dem Bauchwandfett von Schweinen, gewinnen. Dieses lässt man am besten frisch nach der Schlachtung aus und bratet es dafür bei mässiger Temperatur, damit das Fett austritt. Um eine klare Farbe zu erreichen, sollte man das ausgelassene Fett zusätzlich filtern. Das als Talg bezeichnete Schlachtfett von Rindern hat einen höheren Schmelzpunkt. In beiden stecken alle Fettsäuren, die wir benötigen: Gesättigte, Ungesättigte und Hochungesättigte. Schmalz und Talg sind daher zum Beispiel in der Paleoküche wieder ein Thema geworden.

Knochen kochen

Auch das Abfallprodukt Knochen enthält noch viel Fett und andere Nährstoffe. Wie unsere Omas wussten: Nichts schmeckt besser als eine selbstgemachte Knochenbrühe – gerade, wenn man krank ist! Brühe soll sogar das Immunsystem unterstützen und so etwa einer Erkältung aktiv entgegenwirken.

Durch stundenlanges Kochen gewinnt man alles Nahrhafte aus einem Knochen, neben Fett auch Proteine wie Kollagen. Knochen besteht zu einem Drittel aus diesem wichtigen Bindegewebsprotein, das unseren Körper elastisch und widerstandsfähig macht. Die ausgekochte Gelatine liefert Aminosäuren. Bei knorpelhaltigen Knochen kommen Glykosaminoglykanen wie Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat dazu, die heute aus der Anti-Aging-Kosmetik bekannt und zur Bildung von neuem Bindegewebe nötig sind. Durch Beifügen von Säure löst sich auch das Kalzium aus, weshalb viele Rezepte für Knochenbrühen auch eine Form von Säure wie Apfelessig enthalten.

Die gehaltvollste Substanz steckt aber im Knocheninnern: das Knochenmark, welches reich an Omega-3-Fettsäuren ist. Die unzähligen, aufgeschlagenen Tierknochen aus den Pfahlbausiedlungen bezeugen, dass die Köch*innen das Mark bereits damals systematisch gewonnen haben.  

Aufgeschlagene Schweinknochen. © AATG, bearbeitet

Greift doch das nächste Mal zu Lein- und Mohnöl für die Salatsauce. Oder versucht euch an einer Brühe nach Omas Rezept!

Portrait Simone Benguerel