Für viele von uns ist Vorratshaltung in den letzten Monaten wieder zum Thema geworden. Wenn die Welt verrückt spielt, fühlt man sich wohler, wenn man ein paar Grundnahrungsmittel im eigenen Keller hat. Ein Teller Spaghetti mit Tomatensauce, ein Glas Rotwein und alles lässt sich besser ertragen. Bei den Pfahlbauer*innen gab es noch keine Spaghetti und keinen Rotwein: Bei ihnen waren Vorräte jedoch überlebensnotwendig, wollte man in den kargen Wintermonaten nicht verhungern. Beim Anlegen von Vorräten kam der Sammelwirtschaft eine grosse Bedeutung zu. Hochrechnungen gehen davon aus, dass die Familien in der Jungsteinzeit einen Viertel bis sogar die Hälfte ihres Kalorienbedarfs über gesammelte Wildpflanzen gedeckt haben. Das ist besonders den fett- und damit kalorienreichen Nüssen zu verdanken, allen voran den Haselnüssen, aber auch Bucheckern oder Eicheln. Man kann diese nicht nur lange lagern, sondern auch zu Öl pressen. Daher erstaunt es nicht, dass Archäolog*innen in Pfahlbaufundstellen immer wieder grosse Mengen von Haselnüssen finden.

Geschlämmte Erdprobe mit vielen Haselnüssen aus der Pfahlbaufundstelle Arbon-Bleiche 3 (CH). © AATG

Machen Haselnüsse fett?

Betrachtet man die Inhaltstoffe einer Haselnuss, steht mit 63 % der Fettgehalt an erster Stelle. Bei einem so hohen Energiewert setzen sich 100 g Haselnüsse mit 650 kcal an der Hüfte fest – zu Recht haben sie also den Ruf, ein Dickmacher zu sein und gelten wie Schokolade als Nervennahrung. Bei rund der Hälfte des Fetts handelt es sich aber um ungesättigte Fettsäuren. Darüber hinaus ist die Haselnuss reich an Vitamin B, Kalzium, Kalium, Magnesium und Spurenelementen wie Zink und Kupfer. Aber nicht nur das: Die Haselnuss scheint – wie viele andere Nussarten auch – positive Effekte auf den Cholesterolspiegel zu haben. Allergiker müssen aber aufpassen, so können Nüsse Reaktionen von einem pelzigen Gefühl im Mund bis zu schwerer Atemnot auslösen.

Haselnüsse aus der Pfahlbaufundstelle Thayngen-Weier (CH) in einer Gefässreplik, kombiniert mit frisch gepflückten Haselnüssen und -zweigen.

In der Türkei fühlt sich die Hasel wohl

Ursprünglich wohl in der Gegend der heutigen Türkei heimisch, breitete sich die gemeine Hasel (Corylus avellana) nach dem Rückzug der Gletscher am Ende der Altsteinzeit schnell über Mitteleuropa aus. Der Strauch wächst wild quasi in jeder Ecke Europas, er gedeiht aber am besten an sonnigen, humusreichen und eher feuchteren Standorten, in mässig warmem Klima. Die Ernte in Mitteleuropa ist heute vergleichsweise gering, die verkauften Haselnüsse stammen meistens von Baumhaseln (Corylus maxima) aus der Türkei.

Bald sind die Haselnüsse in unseren Wäldern reif.

Haselnussholz verwendeten die Pfahlbauer*innen für Flechtwerk, die Blätter haben sie als Tee gekocht. Am bedeutendsten waren aber die Kerne – also die Nüsse –, die man vom Herbst bis zum Winteranfang in grossen Mengen findet. Sammeln kann man die Nüsse erst, wenn sie reif sind – ein Ernten in grünem Zustand, um den Eichhörnchen zuvorzukommen, lohnt sich nicht, denn sie reifen nicht nach, schmecken unreif schlechter und lassen sich kaum lagern. Am besten sammelt man vom Strauch gefallene Nüsse auf, wobei man auf Risse, Bruchstellen und Frasslöcher achten sollte. Frische Nüsse enthalten viel Feuchtigkeit und können bei der Lagerung Schimmel ansetzen. Sie müssen daher über mehrere Wochen getrocknet werden, dann sind sie bis zu einem Jahr haltbar. Oder man röstet die von der Schale befreiten Kerne. Damit werden sie nicht nur lagerbar, sondern schmecken auch besser. Im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln verändern sich zudem die Inhaltsstoffe der Haselnüsse, speziell die Fettsäuren, durch das Erhitzen nur minimal. Allerdings gilt das auch für die Allergene, die erst in stark verarbeitetem Zustand reduziert sind.

Finger weg von zu vielen Bucheckern

Im Gegensatz zu den Haselnüssen sind Bucheckern – in der Schweiz auch als Buchennüssli bezeichnet – heute fast vollständig aus unserem Speiseplan verschwunden. Mit rund 40 % Fettanteil sind auch sie ein wichtiger Energielieferant und spielten in Notzeiten noch bis ins letzte Jahrhundert in der Ernährung eine Rolle. Tatsächlich ist aber bei ihrem Verzehr Vorsicht geboten. Wenn man rohe Bucheckern in grosser Menge isst, kann das zu Übelkeit bis sogar zu Vergiftungserscheinungen führen. Ihre leichte Giftigkeit rührt daher, dass die rohen Nüsse Oxalsäure, Alkaloide und Trimethylamin, auch Fagin (von Fagus für Buche) genannt, enthalten. Mehr als eine Handvoll der Nüsschen sollte man also nicht roh essen. Wenn man die Buchennüssli röstet oder aufbrüht, können sich die giftigen Substanzen jedoch abbauen.

Von den Bucheckern sollten nicht mehr als eine Handvoll auf Mal gegessen werden.

Bucheckern sind die Früchte der Rotbuche (Fagus sylvatica) – die wir umgangssprachlich einfach als Buche bezeichnen – einem in weiten Teilen Europas heimischen Laubbaum. In den heutigen Wäldern ist die Buche sogar der häufigste Laubbaum. Früchte produziert eine Buche erst, wenn sie ein Alter von 40 Jahren erreicht hat, und sie stellt die Fruchtbildung mit etwa 80 Jahren wieder ein. Bedenkt man, dass Buchen bis zu 300 Jahre alt werden, hat sie nur eine kurze Fruchtspanne. Auch dann hat sie nur etwa alle 5 bis 8 Jahre einen reichen Fruchtbehang. Gerade nach einem trockenen und heissen Jahr kann man aber eine richtiggehende Überproduktion an Nüssen beobachten. Das ist Teil der Überlebensstrategie der Bäume: Weil die nahrhaften Bucheckern so viele hungrige Interessent*innen haben, ist nur bei einer grossen Masse an Früchten gewährleistet, dass auch einzelne Wurzeln schlagen können. Von einem solchen Mastjahr muss der Baum sich dann einige Jahre erholen.

Über dem Feuer platzen sie auf

Generell macht es uns die Buche nicht leicht, an ihre Früchte zu gelangen. Die Bucheckern stecken in einem stacheligen Fruchtbecher; die dreikantigen, kleinen Nüsschen sind zudem von einer festen, braunglänzenden Schale umgeben.  Sie von der Schale zu befreien, ist eine mühsame und zeitraubende Angelegenheit. Am besten übergiesst man die Eckern mit kochendem Wasser, dann wird die Schale weich und man kann sie besser abziehen. Hält man sie über das offene Feuer, platzen sie ausserdem auf.

Buchecker-Schale aus der Pfahlbaufundstelle Arbon-Bleiche (CH). © AATG
Im Frühling keimen aus den Bucheckern junge Buchen.

Zusätzlich zu den Nüssen sind auch die Buchenblätter essbar. Sie gelten sogar als entzündungshemmend und wurden bei Zahnfleischproblemen zerkaut oder bei Geschwüren als Wundauflagen genutzt. Noch in historischer Zeit haben die Menschen gebündelte Buchenzweige als Winterfutter für das Vieh getrocknet, was angeblich auch die Milchleistung steigerte. Da Buchenlaub nur langsam zerfällt, hat man es auch als Einstreu bei der Stallhaltung verwendet.

Der Blick ins Blätterdach eines Buchenwaldes zeigt dir, wo mit einer guten Bucheckernernte zu rechnen ist.

Wir springen wieder ins Heute: Halte jetzt Ausschau nach Buchen im richtigen Alter und Haselsträuchern, die Nüsse tragen. Nach dem letztjährigen Mastjahr gar nicht so einfach, aber umso wichtiger ist es, dass du – willst du satt und rund durch den Winter kommen – schneller bist als die Eichhörnchen, Siebenschläfer, Haselmäuse und Co.

Portrait Simone Benguerel