Wildfleisch verbinden wir heute mit der Jagdsaison im Herbst, Jäger*innen auf dem Hochsitz und Rehpfeffer mit Spätzli. Es bringt auf unsere Teller einen Hauch Wildheit und Abwechslung zum Fleisch unserer Nutztiere. Bei den Pfahlbauer*innen war Wild weniger die Ausnahme, sondern oft die Regel. Die versierten Jäger*innen brachten von ihrer Pirsch allerlei Wildtiere nach Hause. Das ganze Jahr hindurch erlegten sie Hirsche, Rehe und Wildschweine, sowie auch viele Pelztiere wie Fuchs, Iltis, Marder, Dachs, Wildkatze, Biber oder Fischotter. Die Pfahlbauer*innen erlegten aber auch sehr grosse und gefährliche Tiere, z. B. Ur (auch Auerochse genannt), Wisent, Bär und Wolf, sowie sehr kleine Tiere, bei denen man sich fragt, ob man die wirklich noch essen kann oder will, z. B. Igel, Eichhörnchen oder Singvögel. Knochen von Tierarten wie Steinbock und Gemse aus Pfahlbauten zeigen uns, dass die Jäger*innen damals Ausflüge bis in die Berge unternommen haben. Ob man dabei auch einen Hut mit „Gamsbart“ trug, werden wir leider nie in Erfahrung bringen, denn in den Pfahlbaufundstellen sind keine Haare erhalten.

Ein Rothirsch beim Äsen.

Stossdämpfer aus Hirschgeweih

Hirsche waren die wichtigsten Jagdtiere und lieferten einen beträchtlichen Teil des Fleisches, das die Pfahlbauer*innen assen. In manchen Zeiten und Regionen war Hirschfleisch häufiger im Topf als das Fleisch von Haustieren. Auch das Geweih war ein wichtiges Rohmaterial für Geräte, Griffe oder die genialen „Zwischenfutter“ in den Beilen. Diese Geweihstücke wurden zwischen einem Steinbeil und dem Holzgriff als „Stossdämpfer“ eingesetzt, der verhindern sollte, dass das Steinbeil bei Gebrauch des Beiles den Holm zerstörte. Ein Zwischenfutter herzustellen ist wesentlich weniger Arbeit als einen Holm zu schnitzen oder gar ein neues Steinbeil zu schleifen.

Steinbeil mit “Zwischenfutter” aus Hirschgeweih. CC by Roland Fischer, bearbeitet
Wie ein fertiges Beil aussieht, findet ihr hier.

Ötzi trug Lederleggins

Neben dem Fleisch hatten die Jagdtiere aber auch noch andere Bedeutungen. Die Verarbeitung und Nutzung von wärmenden Pelzen ist ebenso belegt wie die Verwendung von Tierknochen und -zähnen als Schmuck. Ötzis Kleidung bestand ausschliesslich aus Fell und Leder: Seine Leggins waren aus Ziegenleder, der Mantel aus Ziegen- und Schaffell , die Mütze aus wärmendem Bärenfell und die Schnürsenkel aus Rinderleder. Wer weiss, ob bei ihm zu Hause auch ein Bärenfell vor der Feuerstelle lag, so wie in Chalain 3 (CH), wo Archäolog*innen neben einer Feuerstelle die Knochen von zwei Vorderpfoten und einer Hinterpfote eines Bären gefunden haben.

An der Wand oder über dem Eingang hingen vielleicht ein Geweih oder die mächtigen Hörner eines Auerochsen. Solche sogenannten Bukranien – also Teile des Stirn-Schädels mit den Hörnern oder dem Geweih – sind heute noch beliebte Andenken und Beweise einer erfolgreichen Jagd.

Bukranium eines Auerochsen aus der Pfahlbaufundstelle Arbon-Bleiche (CH). © AATG, bearbeitet

Nicht nur das Haus, sondern auch sich selbst schmückten die Pfahlbauer*innen mit Jagdtrophäen. Durchbohrte Eckzähne von Wolf und Bär waren sehr beliebt, und von den Eckzähnen der männlichen Hirsche, den sogenannten „Grandeln“, hat man sogar Fälschungen aus Elfenbein oder Hirschgeweih hergestellt – offensichtlich waren das sehr wichtige und beliebte Symbole! Auch Kleintiere wie Igel oder Eichhörnchen hatten offensichtlich eine besondere Bedeutung, denn häufig werden Unterkiefer mit „Politurglanz“ gefunden, der entsteht, wenn die Stücke auf Kleidung oder Haut scheuern, weil sie z. B. an einer Halskette getragen werden. Vielleicht trug man auch Federn oder schmückte damit die Kleidung… Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Bärenzahnanhänger aus der Pfahlbaufundstelle Arbon-Bleiche 3 (CH). © AATG, bearbeitet

Im Hirschknochen stecken Pfeile

Die Pfahlbauer*innen haben verschiedene Geräte zur Jagd verwendet, so viel ist uns bekannt. Natürlich fallen uns als erstes Pfeil und Bogen ein, und tatsächlich gibt es mehrere Hirschknochen mit noch darin steckenden Resten von Pfeilspitzen aus Feuerstein.

Pfeil, Bogen und Pfeilspitzen von der Pfahbaufundstelle Thayngen-Weier (CH). © KASH, bearbeitet

Aber auch andere Jagdmethoden sind durchaus denkbar: Netze kann man auch für die Vogeljagd einsetzen, Fallen und Schlingen könnten auch verwendet worden sein, was aber kaum bewiesen werden kann. Vielleicht haben die Jäger*innen damals auch auf die Treibjagd gesetzt, ist doch der Hund schon seit dem Ende der letzten Eiszeit ein treuer Begleiter des Menschen.

Hirschknochen mit darin steckender Pfeilspitze aus der Pfahlbaufundstelle Arbon-Bleiche 3 (CH). STrich = 1 cm. © AATG, bearbeitet

Wildfleisch für alle!

Die Verteilung der Wildtierknochen über einzelne Häuser einer Siedlung zeigt, dass nicht überall gleich viel Wildfleisch auf den Tisch kam. In Arbon gab es zwei Häuser, in denen es besonders viele Wildtierknochen hatte, darunter auch von seltenen Arten wie Ur oder Bär. Ob in diesen Häusern besonders versierte Jäger gelebt haben? Oder ob die Pfahlbauerfamilien hier einfach nur besonders gerne Wild gegessen haben? Die Skelettteile zeigen, dass die Pfahlbauer*innen hier vor allem ihre Jagdbeute zerlegt haben. Zurück blieben Rumpf, Kopf und Pfoten, während sie die fleischreichen Körperteile weiterverteilt haben. Vielleicht haben sie aber auch Leder weiterverarbeitet und gegerbt.

Vielseitig verwendbar; ein Braunbär. CC by Robert F. Tobler

Wie die Jagdbeute (und das Fleisch generell) in der Siedlung verteilt wurde und welche Hausbewohner*innen sich einen Hirsch teilten, wissen wir meistens nicht, da wir den einzelnen Knochen nicht ansehen, ob sie vom gleichen Tier stammen – und im Laufe der Jahre haben sich natürlich die Reste von sehr vielen Hirschen in der Siedlung angesammelt. Aber in speziellen Fällen kann man dennoch rekonstruieren, wie man die Jagdbeute aufteilte:  In Arbon Bleiche 3 fanden die Ausgräber*innen in nur wenigen Häusern Knochen von insgesamt vier Bärenindividuen. Die fleischreichen Teile konzentrierten sich auf noch weniger Haushalte. Auffallend waren die starken Brandspuren an den Pfotenknochen. Hat man die Bärentatzen auf dem Grill zubereitet, oder eher so, wie es ein Schweizer Kochbuch von 1909 empfiehlt?

„Die vordern Tatzen sind besser als die hintern; sie werden gehörig gewaschen und enthäutet. Setzt sie mit reichlich Wasser aufs Feuer und lässt sie 15-20 Minuten abblanchieren. Unterdessen wird ein Sud wie zu Wildschweinbrust fertig gemacht, kocht die Tatzen so lange darin, bis die Knochen sich leicht herauslösen lassen, je nach dem Alter der Tiere 5-7 Stunden, hebe sie auf ein Brett heraus, beine sie gut aus, ohne zu stark zu zerreissen, legt sie in eine mehr flache als tiefe Schüssel, gibt wieder Sud darüber und lässt sie erkalten. Zum Fertigmachen werden die Tatzen abgewischt, in mässig grosse Stücke geschnitten, in geschmolzene Butter getaucht, im Paniermehl gewälzt und in einer flachen Pfanne in heisser Butter gebraten.“

Ein interessantes Rezept! Es könnte direkt aus der Jungsteinzeit oder Bronzezeit stammen. Interessant auch deshalb, weil 1904 in der Schweiz der letzte Bär geschossen wurde – vor der Wiedereinwanderung dieser Raubtiere in den letzten Jahren. Die Jagd auf Bären ist heute ein heiss diskutiertes Thema. Wir haben uns weniger umstrittene, alternative Wildrezepte mit Reh und Wildschwein für dich ausgedacht. Wie bereitest du Wildfleisch am liebsten zu und wie schmecken die Rezepte, wenn du „neumodische“ Zutaten durch pfahlbaukonforme ersetzt?

Portrait Katharina Schäppi
Portrait Renate Ebersbach

Archäofacts

Arbogast, R. M. ( 1997) La grande faune de Chalain 3. In: Petrequin, P.
(Hrsg) Les sites littoraux Neolithiques de Clairvaux-Les-Lacs et de Chalain (Jura) III: Chalain station 3, 3200-2900 av. J.-C., Vol . 2. (Paris) 641 -692.

Deschler-Erb, S./Marti-Grädel E./Schibler, J. ( 2002) Die Knochen-, Zahn- und Geweihartefakte. In: de Capitani, A. et al. (Hrsg) Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon Bleiche 3. Funde. Archäologie im Thurgau II (Frauenfeld) 277-366.