Bei Veganern und Vegetarierinnen sind Linsen und Co. hochgeschätzt und erleben gerade einen Boom. Hülsenfrüchte sind bekannt als Eiweissquelle, galten lange Zeit jedoch als Viehfutter und Armeleuteessen. Wie war das bei den Pfahlbauer*innen? In den jungsteinzeitlichen Pfahlbaufundstellen spielte nur die Erbse eine Rolle in der Ernährung. Während der Bronzezeit ergänzten Linse und Ackerbohne den Speiseplan. Wie sahen die Hülsenfrüchte damals aus, welche Kocheigenschaften hatten sie und wie schmeckten sie? Diese Fragen können Archäobotaniker*innen nur zum Teil beantworten. Neue Funde und DNA-Analysen an verkohlten Samen bringen jedoch Licht ins Dunkel.

Hülsenfrüchte. Von unten im Uhrzeigersinn: Ackerbohne, Ackererbse, braune, schwarze und grüne Linsen.

Im Innern steckt die Energie

Wie der Name der Pflanzen aus der Familie der Leguminosen sagt, umschliesst eine Hülse die Früchte oder Samen. Letzteren gilt das Interesse, die Hülsen können wir im Folgenden ignorieren. Grüne Bohnen oder Kefen (Zuckerschoten) sind ein junges Gemüse. Die «Verpackung» der Früchte ass man vor der Einführung der aus Amerika stammenden Gartenbohne im 17. Jahrhundert nicht. Den höchsten Eiweissgehalt weisen denn auch die getrockneten Samen auf. In sie stecken die Leguminosen ihre ganze Energie, schliesslich geht es um den Fortbestand. Die Schmetterlingsblütler kriegen den Kraftakt hin dank ihrer Fähigkeit, Stickstoff aus der Luft zu binden und diesen in Knöllchen an den Wurzeln zu speichern. Der Mensch profitiert nun gleich doppelt: indem er die Hülsenfrüchte isst und der Boden nach dem Anbau von Linse, Erbse oder Bohne bereits gedüngt ist für die Folgekultur.

Pflege junger Linsenpflanzen. © K. Schäppi

Erbse – nicht grün, rund und süss

Am Anfang war die Erbse. Sie gehört zum neolithischen Lebensmittelpaket, gemeinsam mit den Getreidearten Weizen, Emmer und Einkorn sowie den Ölfrüchten Lein und Mohn. Um 5500 v. Chr. erreichten diese Kulturpflanzen zusammen mit der sesshaften Lebensweise Mitteleuropa (siehe den Blog dazu). Wer jetzt an knackig-süsse, knallgrüne Zuckererbsen denkt, liegt falsch. Die wurden bei uns erst im 19. Jahrhundert populär. Unter Erbse verstanden die Pfahlbauer*innen wahrscheinlich leicht ovale, gescheckte Trockenerbsen. Vermutlich, denn welche Erbsenvarietäten damals angebaut wurden, ist noch nicht genau erforscht. Zwar finden Archäolog*innen in Pfahlbaufundstellen immer wieder zumeist verkohlte Erbsen oder Reste von Hülsen, aber Genaueres zum ursprünglichen Aussehen der Früchte und der Pflanzen ist nicht bekannt. Oder noch nicht, denn Untersuchungen sind am Laufen, wenn auch nicht in unserem Gebiet.

Hülsenfragmente von Erbsen (Pisum sativum) von der Pfahlbaufundstelle Zürich-Opéra (CH), unten gut erhalten, oben weniger gut erhalten, Strich = 1mm. © IPNA, Basel, bearbeitet

Eine Gruppe von Forscher*innen analysierte die DNA von rund 3000 Jahre alten verkohlten Erbsen aus einer serbischen Fundstelle und fand heraus, dass die Pflanzen zweifarbige Blüten hatten und die Samen braun gescheckt waren. Sie ähneln damit der heutigen Varietät der Ackererbsen (pisum sativum subsp. Sativum var. arvense [L.]). Im Internet werden Ackererbsen lapidar als Kraftfutter für Rindvieh und Geflügel bezeichnet und unter dem Namen «Futtererbse» gehandelt. Hier gilt offenbar: Was heute nur noch Tiere fressen, war früher ein Grundnahrungsmittel der Menschen. Um dem Geschmack der Pfahlbauer-Erbsen nahe zu kommen, kannst du also Tierfutter kaufen. Wir schlagen als Alternative jedoch die Verwendung von Palerbsen vor, auch Rollerbsen oder Erbsensuppen-Erbsen genannt.

Verkohlte Erbse (pisum sativum), Strich = 1 mm.
© LAD, bearbeitet
Erbsensuppen-Erbse, Pro Specie Rara-Sorte “Trockenerbse Basel”. © K. Schäppi

Für Sauen, Pferde und Vieh

Ackerbohnen erlitten das gleiche Schicksal wie die Ackererbsen. Sie wurden zu Tierfutter degradiert, obschon da und dort die frischen Samen mittlerweile wieder als Delikatesse gelten. Die Ackerbohne (Vicia faba) trägt viele Namen. Die meisten sind nicht sehr schmeichelhaft: Saubohne, Pferdebohne, Viehbohne, Dicke Bohne, Feldbohne, Puffbohne, Fababohne. Auch hier ist die Benennung Programm und sagt viel über die Verwendung der Saubohne zur Tierfütterung in jüngerer Zeit aus. In einigen ländlichen Gegenden, z. B. im italienischen Apulien, kochte man zwar weiterhin traditionelle Gerichte wie «fave e cicoria», ein Bohnenmus mit Zichoriengemüse, aber dieses galt als Armeleuteessen. Schade eigentlich, denn die Bohnen überraschen mit ihrem Schmelz und einem angenehm zurückhaltenden Eigengeschmack. Dies und auch die guten Nährwerte wussten bereits die Bronzezeitler*innen zu schätzen. Einmal in Mitteleuropa eingeführt, nahm innerhalb der Bronzezeit (2200 bis 800 v. Chr.) ihre Bedeutung für die Ernährung stetig zu, was sich in steigenden Samenfunden aus der Früh-, zur Mittel- und zur Spätbronzezeit zeigt. Die heutige Bezeichnung «Dicke Bohne» ist jedoch irreführend und trifft auf die damaligen Samen nicht zu. Diese waren mit 4 bis 10 mm deutlich kleiner als die Wonneproppen, die im flaumigen Innern von frischen Ackerbohnen-Hülsen heutiger Sorten heranreifen.

Wer sich nun an die Neuentdeckung der schmackhaften Ur-Bohne machen möchte, ist erstmal vor die Herausforderung gestellt, solche aufzutreiben. Von Juni bis Ende August findet man sie ab und an auf dem Markt. Getrocknete Samen sind aber wirklich schwer aufzutreiben. Frag mal im italienischen Feinkostladen oder schau dich im nächsten Italienurlaub nach «Fave» um, die es getrocknet oder im Einmachglas als Püree oder ganze Bohnen gibt. Oder du kaufst biologisches Saatgut, das in der Schweiz unter der Bezeichnung «Dicke Bohne» gehandelt wird, isst einen Teil und steckst im zeitigen Frühjahr ein paar Samen in die Erde, um bald eigene Pferdebohnen ernten zu können. Die Blüten sind hübsch anzuschauen, nur die Läuse sind eine echte Plage. Sowohl bei den frischen, als auch bei den getrockneten und vor der Verwendung eingeweichten Saubohnen, solltest du die schwer verdauliche Haut abziehen. Wer diese Mühe auf sich nimmt, wird belohnt mit einer bekömmlichen, sättigenden und wohlschmeckenden Speise.

Verkohlte Ackerbohnen (vicia faba).
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Junge Ackerbohnen in der Hülse. © K. Schäppi

Linse brauchte einen zweiten Anlauf

Die Linse kam in zwei Wellen nach Mitteleuropa. Die ältesten Funde stammen aus dem Beginn der Jungsteinzeit. Die Linse hat damals aber aus unbekannten Gründen nicht Fuss gefasst und ist in jungsteinzeitlichen Pfahlbaufundstellen praktisch nicht nachweisbar. Erst mit der zweiten Welle in der Bronzezeit ist sie erneut gekommen, um zu bleiben. Haben die Jungsteinzeitler*innen die Mühen des Linsenanbaus gescheut, und haben erst die Menschen der Bronzezeit die Vorteile der tellerförmigen Hülsenfrüchte erkannt? Linsen sind zarte Pflanzen, sie sind kälteempfindlich, können sich gegenüber anderen Pflanzen schlecht durchsetzen und brauchen Stütze. Grazil sind auch die Blüten der Linse. Daraus entwickeln sich die kurzen Hülsen mit je zwei Samen. Die Krux ist, dass die Samen einer Pflanze nicht gleichzeitig abreifen. Wer zu lange wartet, riskiert, dass die trockenen Hülsen in der Sommersonne aufspringen. Wer also einen gewissen Verlust nicht einkalkulieren möchte, muss immer wieder tief gebückt in mühsamer Handarbeit die reifen Hülsen abernten.

Heutzutage gibt es eine ganze Palette an Linsensorten, die sich in Form und Farbe unterscheiden: Tellerlinsen, Berglinsen, Puylinsen, Belugalinsen, Berrylinsen usw. Sie sind durch Züchtung in verschiedenen Gegenden entstandene Lokalsorten. Wie die Linsen der Bronzezeit ausgesehen haben, wissen wir nicht. Braun, grün, schwarz oder gescheckt? Die zumeist verkohlt erhaltenen Samen lassen keine Schlüsse zu. Gewiss ist jedoch, dass die Pfahlbauer*innen die orangen und gelben Linsen nicht kannten. Jene Sorten also, die ohne Einweichen rasch gar sind. Hier, wie auch bei den Ur-Erbsen und den Ur-Bohnen, galt für die Pfahlbauköche: Einweichen und lange kochen.

Verkohlte Linse (lens culinaris), Strich = 1 mm.
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Linse mit Blüten und jungen Hülsen, Pro Specie Rara-Sorte “Lenka”. © K. Schäppi

Hinter einem Teller Erbsensuppe oder einem Linseneintopf steckt also eine ganze Menge Geschichte der Kulturpflanzen und eine ganze Menge Aufwand beim Anbau und der Zubereitung. Vielleicht denkst du daran, wenn du das nächste Mal Hülsenfrüchte zubereitest. Wir hoffen natürlich, dass dich die Hülsenfrüchte-Neugier gepackt hat, du dich an Rezepte mit Saubohnen und Co. wagst und an unserer April-Challenge teilnimmst.

Vielen Dank an Stefanie Jacomet für die fachlichen Inputs zu diesem Blogbeitrag.

Portrait Katharina Schäppi

Archäofacts

A. Heistinger/Arche Noah/Pro Specie Rara (Hrsg.) (2004) Handbuch Samengärtnerei. Sorten erhalten, Vielfalt vermehren, Gemüse geniessen.

U. Körber-Grohne (1994) Nutzpflanzen in Deutschland. Kulturgeschichte und Biologie.

P. Smýkal/Ž. Jovanović/N. Stanisavljević, et al. (2014) A comparative study of ancient DNA isolated from charred pea (Pisum sativum L.) seeds from an Early Iron Age settlement in southeast Serbia: inference for pea domestication. Genetic Resources and Crop Evolution 61, 1533–1544. DOI: 10.1007/s10722-014-0128-z