Wie sahen wohl Pfahlbaubrote aus und wie schmeckten sie? Dank den guten Erhaltungsbedingungen der Pfahlbaufundstellen haben ein paar Brote die Jahrtausende überdauert. Alle erhaltenen Brote sind verkohlt oder angekohlt –klar, die anderen wurden gegessen. Und nicht immer ist, was zunächst nach einem Brot aussieht, auch ein solches.

Angekohlte Backschaufel aus Holz von der Fundstelle Olzreute-Enzisholz, D. © LAD

Ein Klumpen auf Reisen

In der jungsteinzeitlichen Fundstelle Zug-Galgen fanden Archäolog*innen einen dunklen Klumpen, den sie im Museum für Urgeschichte(n) Zug als Brot ausstellten. Um den Besuchern mehr Informationen über das Brötchen präsentieren zu können, wurde Andreas Heiss, ein Spezialist für urgeschichtliches Gebäck am Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI), vormals am Vienna Institute for Archaeological Science (VIAS) – so was gibt es tatsächlich! – beigezogen. Anstelle der erwarteten Teigstruktur sah er unter dem Mikroskop dicht gepresste Pflanzenfasern und Blattreste. Kein Brot also. Vielleicht Kot eines Pflanzenfressers? Der Klumpen reiste weiter nach Basel ans IPNA (Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie). Die Archäobotaniker*innen identifizierten die Pflanzenteile als Sauergräser und Moose, wie sie an feuchten Standorten wachsen und von Pflanzenfressern nur ungern gefressen werden. Ausserdem fehlten die für Kot typischen Parasiteneier und Pilzsporen. Aus dem Brot wurde also erst Kot, und darauf ein banales Stück Torf. Schade eigentlich. Aber der Fall zeigt, wie wichtig Analysen durch Spezialisten sind und dass nicht alles, was nach Brot aussieht, auch Brot ist.

Auf Granit gebissen

Ebenfalls hochwissenschaftlich zu und her geht es beim Projekt PlantCult, das sich der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung in prähistorischer Zeit widmet. Ein Zweig der Forscher*innen ist den Getreideprodukten auf der Spur. Ihnen verdanken wir neue Untersuchungen und Erkenntnisse über Brot und Brötchen der Pfahlbauer*innen. In unseren Blogs picken wir uns die besten Krümel aus der Forschungsliteratur, bereiten sie auf und servieren sie dir bekömmlich. Beim Recherchieren sind wir auf zwei Artikel gestossen, in denen ein Brötchen und zwei Fladenbrote vorgestellt werden. Das Brötchen wurde vor 150 Jahren bei Ausgrabungen am Mondsee in Österreich gefunden und im Pfahlbaumuseum Mondsee als «Urknödel» ausgestellt. Für die Untersuchungen wurde es der Vitrine entnommen, unters Mikroskop gelegt und durch den Computertomographen geschickt. Was das Stereomikroskop zeigte, sieht zum Reinbeissen aus: eine lockere, porige Teigstruktur, wie sie sich für Brot gehört, das mit Hefe oder Sauerteig gebacken wurde. Worauf wir heute aber gern verzichten, ist das, was die Mikro-Computertomographie offenbarte: Der Teig enthält auch Steinkörnchen. Es ist Abrieb der Mahlsteine, auf denen das Getreide gemahlen wurde. Sie sind mit ein Grund, weshalb die Zähne der Pfahlbauer*innen oft sehr stark abgenutzt waren. Über 40-Jährige kauten oftmals bereits auf dem Dentin, der inneren Zahnsubstanz. Vollkornbrot in Ehren, aber auf die steinernen Ballaststoffe verzichten wir heute gerne. Andererseits führte der rasche Abrieb der Zähne dazu, dass die Menschen der Jungsteinzeit kaum Karies hatten – denn bevor sich die Bakterien auf der Oberfläche festsetzen konnten, war der Schmelz schon wieder abgeschmirgelt.

Gelochte Gersten-Fladenbrote, an einer Schnur aufgehängt.

Es war einmal …

vor rund 5185 Jahren. Eine Pfahlbauerin (oder ein Pfahlbauer) schöpfte Gerstenkörner und zusätzlich etwas Weizen, Einkorn oder Emmer aus dem Vorrat, kniete sich vor dem Mahlstein hin und zerrieb das Getreide zu feinkörnigem Mehl. In einer Holzschale vermengte sie das Mehl mit Wasser, fügte etwas Salz hinzu und würzte den Teig mit ein paar Selleriesamen. Sie entnahm einen Klumpen Teig, formte daraus einen handtellergrossen Fladen und bohrte mit dem Daumen ein Loch hinein. Die Pfahlbauerin schob mit geübter Geste das Fladenbrot in den Ofen. Plötzlich ein Geschrei und Hundegebell vor dem Haus. Als sich der Tumult gelegt hatte und die Bäckerin zum Ofen zurückkehrte, war das Brot hoffnungslos verbrannt. Mit einer Holzzange fasste sie das verkohlte Stück und warf es vor der Tür in weitem Bogen ins Wasser.

Fladenbrot von der Fundstelle Parkhaus Opéra in Zürich, CH. © ÖAI-ÖAW; VIAS / A. G. Heiss

Würzbrot

So oder so ähnlich könnte sich das zugetragen haben. Bei Ausgrabungen in der Fundstelle Parkhaus Opéra in Zürich wurden tatsächlich zwei Fladenbrote gefunden. Sie sind nicht vollständig erhalten, aber aus den Bruchstücken kann der ursprüngliche Durchmesser von 6 cm beziehungsweise 10 cm errechnet werden. Beide Fladenbrote sind gelocht, damit sie an einer Schnur oder Stange aufgehängt werden können. Die Archäolog*innen schickten die Bruchstücke des Fladenbrotes von der Fundstelle Parkhaus Opéra nach Wien, wo wiederum Dr. Heiss es auf Teig und Krume analysierte. Speziell an diesem Brot ist der erstmalige Nachweis von Brotgewürz – heute typischerweise Kümmel oder Fenchel. Das Mikroskop hat gezeigt, womit das steinzeitliche Opéra-Brot gewürzt wurde: mit Selleriesamen. Dies hat uns natürlich zu einem Rezept inspiriert. Du findest es in der Rezeptsammlung unter der Kategorie «Backen».

Selleriesamen (Querschnitt) im Fladenbrot von der Fundstelle Parkaus Opéra in Zürich, CH.
© ÖAI-ÖAW; VIAS / A. G. Heiss
Jungsteinzeitlicher Selleriesamen aus der Fundstelle Sipplingen-Osthafen, D. © LAD
Portrait Katharina Schäppi

Archäofacts

Artikel zum vermeintlichen Brot aus Zug, CH.

Artikel zu den Fladenbroten von der Fundstelle Parkaus Opéra in Zürich, CH.

Projekt PlantCult