Wer kennt sie noch, die Vorratskammer? In historischen Freilichtmuseen trifft man sie noch an: Ein kleiner, dunkler Raum gleich neben der Küche, die Regale vollgestopft mit Einmachgläsern, Sauerkrauttöpfen und von der Decke hängen die Schinken. Der Trieb, Lebensmittel zu horten, lebt in uns weiter, wie sich täglich an den Kassen des Supermarktes offenbart; besonders wenn zwei aufeinanderfolgende Feiertage anstehen, an denen die Läden – oh Schreck – nicht geöffnet sind. Die Pfahlbauer*innen hatten aber keinen Supermarkt, keinen Direktimport aus dem Süden, nicht mal den Dorfladen um die Ecke. Und auch keine Vorratskammer. Ihre Lebensmittel lagerten sie in Töpfen, Körben, Säcken im Haus, vor Mäusen und Ungeziefer geschützt aufgehängt oder zugedeckt. Wer den Winter überleben wollte, musste das ganze Jahr über Vorräte anlegen, und zwar ohne Hilfsmittel wie Gefrierschrank, Einmachgläser, Konservenbüchsen oder Gelierzucker.
Getreide und Fleisch auf Lager
Den Grundbedarf deckten vor allem die Erzeugnisse der Haustiere und die angebauten Pflanzen. Es gab nur wenige Arten von Nahrungsmitteln, die man länger lagern konnte und auch im Winter zur Verfügung hatte. Dazu gehörten die Getreide Einkorn, Emmer, Nacktweizen und Gerste, die Erbsen, Lein (-samen oder -öl) und Mohn (-samen oder -öl). Vermutlich wurden auch die nicht einheimischen Pflanzen Dill und Sellerie angebaut. Aber ob und wie man diese für den Winter bevorratet hat, wissen wir nicht. Ausserdem konnte man Fleisch durch Trocknen, Räuchern oder Pökeln länger aufbewahren. Vielleicht wurden auch schon Butterschmalz und Käse als lagerfähige Milchprodukte produziert.
Mehr als nur Kalorien
Damit die Pfahlbausuppe nicht alle Tage gleich schmeckte, haben wohl schon die Pfahlbauer*innen Kräuter getrocknet und in Bündeln an den Dachsparren aufgehängt. Dafür sprechen die vielen würzigen Pflanzenarten, die in Pfahlbauten gefunden wurden. Salz durfte in der Suppe natürlich auch nicht fehlen. Das weisse Gold war vermutlich aber äusserst kostbar, da es von weit her eingehandelt werden musste. Beim Süssen war man wahrscheinlich ebenso sparsam, denn die Honigernte hätte bei weitem nicht gereicht, um unseren heutigen Zuckerkonsum zu decken. Fehlt noch die Säure, die bekanntlich jedes Gericht aufpeppt. Zitrusfrüchte sind zur Zeit der Pfahlbauer sehr ferne Zukunftsmusik. Essig kommt grundsätzlich in Frage, ebenso wie der Einsatz von unreifen, sauren Früchten. Ob und wie die Köch*innen damals Alkohol in Essig umwandelten, wissen wir nicht, hoffen aber, dem im Laufe des Jahres auf die Schliche zu kommen.
Vitamine im Winter
Die Pfahlbauer*innen haben viele Arten gesammelt. Davon sind vor allem drei sehr wichtig, von denen Archäolog*innen verkohlte Vorräte gefunden haben: Haselnüsse, Holz- oder Wildäpfel und Weisser Gänsefuss (Samen). Auch wilde Möhren und Sellerie kann man einige Wochen nach der Ernte aufheben, wenn man sie z.B. kühl in feuchtem Sand lagert. Die grossen Voralpenseen produzieren ihr eigenes Mikroklima, das oft milder ist als das in der Umgebung. In den 3500 Jahren, welche die Epoche der Pfahlbauer dauerte, gab es zwar einige heftige Klimaschwankungen, aber durchschnittlich war das Klima so ähnlich wie heute oder sogar noch etwas wärmer. Es war deshalb möglich, auch im Winter noch Früchte, Gewürze und Pflanzen für Salat oder Gemüse zu sammeln, solange kein strenger Frost herrschte. Damit konnte man die Mahlzeiten aufpeppen und für eine ausreichende Vitaminzufuhr sorgen.
Zu den winterharten einheimischen Früchten gehören Schlehen, Physalis, Hagebutten und Wildäpfel. Sie schmecken sogar erst im Winter richtig gut. Man kann problemlos im Dezember und Januar frische Früchte sammeln. Auch Brennnesseln, Löwenzahn, Sauerampfer, wilder Feldsalat („Ackersalat“), Thymian, Dost und Wegerich-Arten bleiben grün bzw. wachsen im Winter weiter, sobald die Temperaturen zweistellig werden. Man kann sich daraus frische Salate zubereiten, Gemüse dünsten oder die Eintöpfe und Suppen damit anreichern. Für zusätzliche Vitamine braucht es also nicht unbedingt einen Kühlschrank und auch keine Vorratshaltung.
Der Wintervorrat der jungsteinzeitlichen Pfahlbauer*innen, ergänzt mit winterharten Wildpflanzen, gibt trotz aller Einschränkungen genug her, um kreative Rezepte zu entwickeln und sich an einem Festtagsbraten oder einer Gerstensuppe à la Pfahlbauer*innen zu versuchen.